Samstag, 22. Oktober 2011

What a Man - Matthias Schweighöfer - Kassen lügen nicht

Also Kinokassen. We have a winner. Über eine Million Zuschauer. Das hat bei deutschen Filmen Seltenheitswert.
Aber von vorn: Da war es wieder, dieses (kalendarische Sommer)-Loch. Das ist für Kinofreunde besonders dann unerfreulich, wenn man wegen des Regens gern öfter mal ein paar Stunden im Kino verbringt. Es gab aber außer „Midnight in Paris“ rein gar nix, was ich hätte loben können. Alles andere was es zu loben gab, habe ich schon abgearbeitet und ist inzwischen auch Oscar bestückt.
Da war der verregnete Juli, und da hab ich mich quasi geopfert und „What a Man“ angeschaut. Man, oh man!
Nun ist ja Herr Schweighöfer ein veritabler Schauspieler, der mir unter anderem als Marcel Reich-Ranicki in „Mein Leben“ gut gefiel. Und auch sonst so schon.
Jetzt hat er sich der im deutschen Film nicht als Königsdisziplin berühmten Sparte Komödie angenommen. Kann man machen, müsste man aber nicht. Außer man heißt Woody Allen. Oder Loriot.
Aber ich will gar keine Vergleiche zu anderen Regisseuren heranziehen. Das wär vielleicht nicht fair. Schweighöfer fängt grad erst mit der Regie an. Aber was hat er sich nur dabei gedacht? Vermutlich nichts. In einem Interview fürs TV hörte ich ihn sinngemäß so in etwa plappern: „Da ham wir uns hingesetzt und die Story im hoppigaloppi zusammengeschmissen“ . Check. Hoppigaloppi. Zusammengeschmissen.
Alex (Matthias Schweighöfer) und Carolin (Mavie Hörbiger) sind ein Paar. Lehrer Alex ist das, was ich gern mal mitleidig als milque toast bezeichne. Ein beta bis delta Männchen. Was Wunder, dass das schnieke Model Carolin, blond bubikopfig gestyled, sich einen Anderen an Land zieht und das Milchbrötchen Alex muss ausziehen. Der flüchtet zu seiner WirSindGuteFreunde-Freundin Nele (Sibel Kekilli). Nele ist so ein in-Name jetzt, Neles sind immer prima Kumpels, total anständig, lieb und verständnisvoll, wenn auch ein bisschen verrückt. Verrückt mögen wir, denn wenn man verrückt ist, dann ist man auf jeden Fall kein Spießer. Und schließlich will Nele nach China, um dort Tiere zu schützen, Pinguine, wenn ich nicht irre, und außerdem um sich selbst in die schützenden Arme ihres französischen Freundes Etienne zu werfen. Das ist doch überhaupt nicht spießig, oder?
Sobald man den Überblick über die Aufstellung hat, weiß man auch schon, wie das weiter geht, und wo das hinführt. Das ist die Konstellation, aus der man die lustigsten Beziehungskomödien stricken kann. Vorausgesetzt, der Regisseur und der Autor können gut stricken. Hier wurde gestickt, bestenfalls gehäkelt. Dialoge, die ich hätte mitsprechen können, so voraussehbar waren sie. Ein paar Schenkelklopfer, ein paar Stammtischplattitüden zum Thema, kein Klischee, das nicht bedient wurde; man kennt das ja. Gut, ich hab da tatsächlich einige Male spontan mitgelacht, weil manche Witze auch zum 30sten Mal komisch sind. Aber sonst? Alles so, wie man ahnt. Viel abgedroschene Kalenderweisheiten. Vom Sexunfall bis zum letzten Gehechel zum Flughafen und dem beinahe und huch und ja doch und na sowas, etc pp.
Am besten von allen Darstellern hat mir Elyas M’Barek als Alex’ bester Freund Okke, Fachberater in Sachen Beziehungen, Sex, et al gefallen. M’Barek war mir schon in der TV-Serie „Türkisch für Anfänger“ sehr angenehm aufgefallen. Da kommt hoffentlich mehr.
Sibel Kekilli war mir ein bisschen fremd als die Pinguinaffine Tierschützerin und Strickliesel Nele. Aber das ist meine Schuld, ich hab sie noch so fest in meinem Hirn aus „Gegen die Wand“. Da muss sie einfach mal raus, dann kann ich sie bestimmt unvoreingenommener ansehen.
Fazit: Diese Komödie ist nicht die Krone des deutschen Humors, aber so grottenschlecht ist sie auch nicht. Als Schweighöfers Regie-Erstling etwas enttäuschend. Da hab ich mehr erwartet, aber das ist allein meine Schuld.
Harmloses, leichtes Sommerkino. Also DVD kaufen, Pantoffeln an, Chipstüte, Bier. Feddisch.

Freitag, 21. Oktober 2011

Chovwe Inisiagho-Ogbe - My Cherished Verses

Gestern Abend, als ich zusammen mit einer zusammengewürfelten Runde von Kleinkünstlern bei "KalkerKunstrasen" auf einer kleinen Bühne unser Lustigstes oder Lyrischstes, unser Musikalischstes oder Literarischstes vor- und aufführte, trat auch eine nigerianische Künstlerin auf (oder hätte ich sagen sollen: eine Deutsche mit nigerianischem Migrationshintergrund?). Leider gibts kein Mikro für den verhältnismäßig kleinen Saal, und wer sein Tonvolumen nicht to the max aufdreht, wird nicht immer gehört, jedenfalls nicht vollständig.
Das ist schade, denn Chovwe Inisiagho-Ogbe hätte man bestimmmt gern länger zugehört. Sie las uns zwei kurze Gedichte in Englisch vor, und lieferte höflicherweise gleich eine deutsche Übersetzung mit. Eines davon hier:

WATERS OF COLOGNE
Waters of Cologne,
Bathe me clean of my dirt,
You sparkle as you flow
In slow but steady currents.
You rarely get angry.
Peace is your mission,
Beauty is your gift,
Flaunting your fragrance
Of Eau de Cologne.


Was sie nicht gelesen hat, und was ich auch gern gehört hätte ist dieses:

LETTER TO MERKEL
Dear Angela Merkel,
I am an African
Doing my bit.
I have followed you faithfully,
Learnt my Deutsch well,
Excelled in the Einbürgerung
To make me a German.
Done one Ausbildung.
That means I retrained.
I have gone this far,
But it did not pay off!

Es sind viele schöne Gedichte in diesem kleinen Buch. Über ihre Heimat, über die Kämpfe, die Opfer, den Stolz und die Schönheit des afrikanischen Kontinents. Es sind kurze Gedichte in einer schönen, verständlichen Sprache.

Man kann das Buch bei Amazon bestellen.
Ich habs vorhin gekauft als eBook.
Es lohnt sich.

Hundert weniger sieben

Aus Gründen, wie man so sagt, hab ich mich gestern einem Demenztest unterzogen. Im Anschluss an meine jährliche Ganzkörper-Inspektion schien mir das eine logische Entscheidung. Man wird nicht jünger. Nieren, Leber, das ganze Gekröse und das Herz in bester Verfassung, sagt meine neue Ärztin. Das natürlich immer mit dem nun schon Standard-Zusatz: „Für Ihr Alter“ . Dieses Alter liegt inzwischen leicht jenseits dieser berühmten „besten Jahre“. Und weil ich so oft Namen, Buch- und Filmtitel vergesse, weil ich so oft von einem Zimmer ins andere geh, und dann nicht mehr weiß, was ich da will, dacht ich, es wird Zeit, das mal untersuchen zu lassen.
Dr. Menzel, der Testarzt, ist erst mal verwundert, dass ich mit diesem Ansinnen an ihn herantrete, denn als er mich rein ruft, tippe ich grad eine SMS in mein Smartphone. „Ach,“ sagt er „das ist doch toll, dass Sie das noch können!“ Da fühl ich mich gleich besser. Das heißt ja wohl, dass man die Handhabung elektronischen Zauberwerkzeugs „in meinem Alter“ nicht unbedingt erwartet.
Er groß, blond, jung; ich klein, blond... nicht jung. Er mit Brille, ich mit Brille. Aber er hat promoviert. Und sein blond ist echter als meins.
Er blättert in einem umfangreichen Faltblatt, das grob geschätzt an die 20 Seiten Text enthält und erklärt er mir die Vorgehensweise.
Es klingt simpel genug.
Als Erstes bittet er mich, drei Begriffe nachzusprechen. Gebündelt, nicht einzeln, das wäre ja auch zu einfach.
„Auto – Blume – Kerze“
„Auto – Blume – Kerze“
„Sehr schön, bitte noch mal.“
„Auto – Blume – Kerze“
„Wunderbar“ sagt Dr. Menzel.
Ich bin stolz. Die erste Hürde ist geschafft. Ich kann mir drei Wörter merken.
Weiter zum nächsten Punkt: Zahlen! Meine Königsdisziplin.
„Ziehen Sie von der Zahl 100 jeweils die Sieben ab. Also: Einhundert weniger 7...?“
„93“
Er lächelt aufmunternd: „Weiter?“
„Ähm... 7 nee, 86...?“
„Schön... und?“
„Wie, und? Ich dachte, weniger?“
„Jaja, weniger, minus, abziehen“ klingt das schon genervt?
Nachdenken! Heimlich visualisiere ich meine Finger. Ich hab’s:
„97 nein! 79“
Er lächelt wieder. Lächeln heißt richtig geraten. Ich schaffe dann noch zwei, etwas mühsam, aber ohne Zahlendreher, und er ist zufrieden. Er hat meine Zählfinger unter dem Tisch nicht gesehen.
„Welchen Wochentag haben wir heute?“
„Mittwoch...“
Datum, Monat, Jahr - Stadt, Land, Fluss... pillepalle – null problemo.
„Welche Jahreszeit?“
„Herbst!“
Er lächelt, er zieht die Augenbrauen hoch: „Na???“
„Doch, Herbst!“
Will er mich verunsichern?
„Ehm... ja, nee, Moment... wann fängt denn der Herbst an?“
„Am 23. September ... steht das nicht im Blatt?“
„Nein, nein, im Blatt stehen doch keine Antworten! Also, wie war das mit dem Herbst?“
Vielleicht ist er dement?
„Fing am 23. September an - wir sind mittendrin im Herbst, das weiß ich nun ganz genau.“
„Mhh, ach ja, stimmt ja, hahaha. So, Erinnerungsfähigkeit... welche drei Begriffe haben Sie sich eben gemerkt?“
„Auto – Blume – Kerze. Kerze – Blume – Auto... aber fragen Sie mich besser nicht noch mal in einer Stunde...“
„Haha, so lang wird der gesamte Test gar nicht dauern.“
Er blättert auf die nächste Seite und zeigt mir eine fett gedruckte Überschrift, darunter ein kleine Grafik. Es sind zwei geometrische Figuren, die eine Schnittmenge haben. Irgendwas mit –gon, ein Penta oder Octa oder Epi, ich weiß nie, wie die Biester heißen, mehr Seiten als ein Viereck, das seh ich gleich, aber so schnell kann ich nicht zählen. Erinnert mich an die schlimmsten Jahre in der Schule. Geometrie!
„Lesen Sie diesen Satz“ sagt er und hält mir das Blatt vor die Nase:
„Schließen Sie beide Augen“ lese ich vor.
„Machen Sie das“, sagt er. Ich schließe die Augen.
„Öffnen Sie die Augen wieder und zeichnen Sie die Abbildung nach“ sagt er und reicht mir einen Stift. So ein Kasperle-Theater. Ich krakele so flott ich kann, all die Seiten von diesen –gonen, an die ich mich erinnere.
„Jetzt schreiben Sie einen Satz in die Zeile darunter, irgendeinen Satz, was Ihnen grad in den Kopf kommt.“
Ich würde gerne schreiben: „Ich fühle mich verarscht“, bewahre aber Contenance und schreibe einfallslos: „Ich sehe zwei überlappende geometrische Figuren, an deren korrekte Bezeichnung ich mich nicht erinnere.“
Er liest und sagt: „Das ist eher.... hmmm... ungewöhnlich. Die meisten Frauen in Ihrem Alter (das schon wieder) schreiben, was sie am Mittag kochen wollen... hahaha.“ Er will sich ausschütten vor Lachen. Na, freut mich doch, wenn ich ihn damit bespaßen kann.
Oder macht er sich über mich lustig, und ich merk’s gar nicht?
Jetzt einige Fragen zum Alltag und meinen praktischen Fähigkeiten. Alles im grasgrünen Bereich: Einkaufen, Kochen, Putzen. Bei Putzen nicke ich auch eifrig. Er will ja nur wissen, ob ich es kann, nicht, ob ich es mache. Weiter mit Kontinenz: die Entsorgungsorgane etc. jaja, auch alles unter Kontrolle, danke der Nachfrage.
„Jetzt kommt der up-and-go Test. Setzen Sie sich auf den Hocker an der Wand. Dann stehen Sie auf, gehen zum Fenster, berühren die Scheibe und gehen wieder zurück, und hinsetzen.“
Ich frage mich, ob es hier um Schnelligkeit geht oder eher um Treffsicherheit bei der Scheibenberührung, oder dass ich das Fenster überhaupt finde. Jedenfalls spring ich auf wie ein angeschossenes Reh, und in 10 Sekunden bin ich hin und zurück, stolz auf meine Behändigkeit und blicke ihn erwartungsvoll an.
„Ja, klappt ja prima. Das war’s dann...“
“Wie jetzt, das war’s dann... mehr ist da nicht?“
„Nein, das war’s.“
„Ich weiß aber inzwischen nur noch Blume und Kerze...“
„Haha, das macht nichts, das ist normal...“
„Ich hatte mehr erwartet, intensiver, mehr in die Tiefe, detaillierter, anspruchsvoller.“ „Aber nein,“ beruhigt er mich, „zu mehr besteht kein Anlass.“
Ich berichte ihm daraufhin noch von meinen Wortfindungsstörungen, und dass ich immer Straßennamen oder Orte vergesse. Er winkt ab, auch das wäre normal, sagt er. Ich beschreibe eine typische Situation, wenn mir von jetzt auf gleich ein Wort, eine Idee, ein Gedankenblitz aus meinem Hirn abhanden kommt.
Weg - futschikato.
„Nein, nein", beruhigt er mich, "sorgen Sie sich nicht, das passiert allen, auch viel Jüngeren“, das ist tröstlich, glaub ich.
„Wenn das so ist, kann ich ja auch ab und zu einen Test im Internet machen, oder in der „Brigitte“.
„Ja, wir gehen mit diesem Test hier nicht so in die Tiefe, wissen Sie, aber Sie müssen sich wirklich keine Sorgen machen. Sie sind Lichtjahre davon entfernt, dement zu werden.“
Na denn.
Aber - hab ich denn noch Lichtjahre?