Arne Birkenstock hat einen
neuen Film gedreht, wieder eine Doku. Das mal vornweg: Ich liebe Dokus.
Schon mit „Sound of Heimat“
hat er mir eine große Freude bereitet, und nun auch mit „Beltracchi – die Kunst
des Fälschens“.
Wolfgang Beltracchi wurde –
zusammen mit seiner Frau Helene – rechtmäßig zu einigen Jahren Knast
verurteilt, bleibt aber Freigänger. Obwohl das von Vielen als ungerecht
betrachtet wird, ist es angesichts der hohen Schulden von ca. €20Mio
sinnvoller, ihn einer Arbeit nachgehen als in einer Zelle vermodern zu lassen.
Er ist ein Betrüger, ein Fälscher. Das ist BÖSE!
Der Film zeigt also den
gegenwärtigen Freigänger Beltracchi, der seine Nächte (ebenso wie seine Frau) auf
der Knastpritsche verbringen muss, und
er zeigt in flash backs aus älterem Filmmaterial das süße Leben in Frankreich.
Und es war sehr, sehr süß. Er konnte jederzeit mit der „Mein Haus, mein Boot,
mein Auto“ Schickeria mithalten. Verkehrte mit den lässigen Bonvivants im ewig
sonnigen Süden Frankreichs, und er ließ die Gottheiten gute Männer sein. Geld
ist schließlich zum Ausgeben da.
Wir sehen bei Kunstauktionen,
wie sich wichtige Herrschaften in edlen dunklen Anzügen mit geheimnisvollen
Zeichen gegeneinander überbieten, wie ähnliche „Beauftragte“ in dicht an die
Lippen gehaltene Telefone ihrer Kundschaft Zwischenstände und Höchstgebote durchsäuseln.
Der Kunstbetrieb brummt.
In all dieser Zeit kommt
offenbar keiner der hochangesehenen und weltberühmten Sachverständigen,
Galeristen, Mäzene je auf die Idee, diese Werke mal etwas gründlicher zu
untersuchen? Weil so urplötzlich aus dem Nichts auftauchende Gemälde eventuell
Fälschungen sein könnten? Ach warum
zweifeln, wenn das Geschäft grad so gut läuft.
Kunstwerke, vorzugsweise nachgewiesen echte,
machen den hard-core Sammler glücklich. Und natürlich alle die, die nach dem
Künstler bis vor dem Endabnehmer absahnen.
Was macht der Sammler nun damit?
Hängt er sie in einer klimatisierten
Geheimkammer auf, für immer unsichtbar für den Rest der Welt?
Stellt er sich einmal täglich in stiller
Bewunderung und Andacht davor und freut sich ein Loch in den Bauch?
Was treibt einen Sammler? Gier nach Schönheit?
Gier, etwas zu besitzen, was kein anderer Mensch hat?
Diese Frage wurde zwar im Film "Beltracchi
- die Kunst des Fälschens" nicht explizit behandelt, aber für mich doch
teilweise beantwortet. Es gibt nicht nur eine einzige schlüssige Antwort,
sondern mehrere Gründe, die ineinander spielen. Da ist also der große und ewige
Hunger nach mehr, nach höher, weiter, schöner, der ein niemals zu
unterschätzender Faktor ist. Und der ruft auch unlautere Mitbürger auf den Plan.
Wer bedient diese Nachfrage nach Kunst? Nicht der Künstler selbst, der ist ja
in den meisten Fällen schon tot. Und veritable Künstler kopieren sich auch
nicht selbst. Von den alten Meistern sind kaum noch Werke auf dem Markt, außer
ein Besitzer trennt sich mal von einem seiner Babys.
Und jetzt kommt so einer wie Wolfgang
Beltracchi daher und erkennt die Gunst der Stunde. Da sind dann plötzlich all
die Campendoncks, Max Ernsts, Liechtensteins und dergleichen, die als
lang verschollene Werke magisch aus irgendeiner Versenkung auftauchen. Die Kunstszene
jubelt. Alle ernstzunehmenden Sachverständigen, Mäzene und Galeristen wittern Bombengeschäfte.
In der Tat, für lange Zeit scheint niemand auch nur den Hauch eines noch so
dünnen Zweifels zu haben.
Und dann platzt die Bombe. Unermüdliche
Sonderbeauftragte des BKA haben nun Beweise: Beltracchi und Helfer sind
Betrüger. Das Lustige daran ist, dass bis heute immer noch nicht alle Fälschungen
aufgedeckt wurden. Und der Kunstbetrieb gibt die beleidigte Leberwurst. Dass es
einem Schlitzohr wie Beltracchi gelungen ist, die gesamte Kunstwelt an der Nase
rumzuführen. Ihre Glaubwürdigkeit ist beschädigt. Frechheit. Niemand möchte
gern vom hohen Ross dieses unendlichen
Borns der Freude und der Millionen runtersteigen. Ganz zu schweigen vom
unersetzbaren Verlust der Glaubwürdigkeit.
Gefragt, ob in diesen Werken sein Herzblut
stecke, sagt Beltracchi: „Nö, nicht mein Herzblut. Das ist ein Job, meine
Arbeit. Mein Herzblut steckt in meiner Frau und meinen Kindern, in meiner
Familie.“
You have to take the good with the bad. Er
scheint gelassen. Hat ja noch einige Jahre um seine Schulden abzuarbeiten.
Ich möchte gern glauben, dass es Herrn
Birkenstock ging wie mir: er mag diesen Beltracchi, und das zeigt er auch
deutlich im Film. Aber ein bisschen Voreingenommenheit zum Thema, das man
verfilmt oder literarisch aufbereitet darf doch wohl sein? Wo bliebe sonst die
künstlerische Freiheit?