Oscars 2015
Wie jedes Jahr habe ich im Januar meine magische Glaskugel vom
Dachboden geholt um sie zu befragen, wie es denn wohl mit der Verteilung des
nackten goldenen Männleins bestellt sei.
Wie immer habe ich mich – ja, geopfert, und mir schon einige Werke
angeschaut, aber „über mich ergehen lassen“ trifft es in den meisten Fällen
besser. Zu meiner Erleichterung liegt heuer auch keine Einladung des Cousins „in
da bizness“ vor, aber er hat mir wenigstens einiges Material geschickt.
Eines kann ich euch heute schon sagen, reine Freude war das in
den wenigsten Fällen. Ich fang mal mit meinen Nieten an und steigere mich bis
zum Endjubel für meinen Favoriten.
„Wild“
Ein Film, dessen Eröffnungsmonolog
aus drei Wörtern besteht:
"Fuck you, bitch", lässt
mich gern hoffen, dass es im weiteren Verlauf
nicht zu einer Quasselorgie kommt. Allerdings möchte ich auch nicht einem Stummfilm beiwohnen,
dessen gesamte Handlung nur von Musikfetzen begleitet wird . Hier ist das
Haupthema Schicksalsschlagbewältigung,
aber das vor einer wahrlich bombastischen Kulisse, dem Pacific Crest Trail im Westen der USA. In 115
Minuten werden wir einen Teil davon bewundern dürfen
–
ebenfalls im zerfetzten Schnelldurchgang.
Forrest Gump durchquerte die Vereinigten Staaten von Ost nach
West ohne Gepäck, lernte
Leute kennen, grüßte
freundlich und erfand das Smiley. Das war lustig.
Cheryl Strayed (Reese Witherspoon) beschloss,
nach ihrer Scheidung und dem Tod ihrer Mutter zur Selbstfindung und
Verarbeitung dieser Einschnitte in ihr Leben auf Wanderschaft zu gehen. Aber
natürlich
nicht das gemütliche Schlenderwandern, das ich gelegentlich um reizende
kleine Seen exerziere, nein, richtige „out back“ Wanderungen, mit Stiefeln und
Rucksack, Zelt und Gaskocher. Wir sehen, wie sie mehrmals übt,
den überlebensgroßen
Rucksack so zu schultern, dass sie nicht mit ihm hintüber kippt, aber
alles andere hat sie nicht geübt. So wird man Zeuge, wie sie ihr
Zelt nur unter Mühen nach häufigen Fehlversuchen endlich
aufstellt. Das mit dem Gaskocher klappt auch nicht so. Und weil der Weg ja auch
steinig und schwer ist, fährt sie dann auch gern mal per
Anhalter einige Meilen über die Highways. Sie trifft Leute, schläft
in Berghütten
oder mit Männern und pflegt ihre Blasen.
Die eingangs erwähnten Musikfetzen
irritieren, die hunderte von flash backs (die ich ja sowieso nicht so mag)
irritieren noch mehr. Kaum fängt mal eine Minihandlung an, bämm
–
flashback – 30 Sekunden – und weiter geht’s
–
on the road again.
Vermutlich war es für
Cheryl Strayed eine hilfreiche Erfahrung, über ihre Scheidung und den Tod der
Mutter reflektieren zu können. „Selbstheilung“ sagte sie, war ihr
Ziel. Der Film basiert auf ihren Memoiren, und Nick Hornby hat das Drehbuch
geschrieben.
Für Oscars sind Reese Witherspoon (Best
Actress) und Laura Dern (Best Supporting Actress) nominiert.
Leider konnte ich das Therapeutische an
der Wanderung nicht nachempfinden, die flash back Fetzen waren dabei nicht
hilfreich. Das verlor an Wirkung wegen der häufigen cuts, die Heilung für
mich als Zuschauer nicht nachzuvollziehen. Aber man hat mir gesagt, dass es so
war, also war es wohl so. Außerdem gehört Frau Witherspoon
nicht zu meinen topfavorisierten Darstellerinnen. Auch Derns Leistung war durch
diese Methode zerrissen, ist nicht aus einem Guss. Das war für
mich das Bedauerlichste.
Von mir kein Oscar für
nix.
The
Imitation Game.
Das bereits anderweitig öfter
mal verfilmte Thema der Dekodierung des Verschlüsselungssystems „Enigma“,
mit dem die deutsche Wehrmacht im II. Weltkrieg geheime Botschaften über
ihre Angriffsstrategien durchs System jagten.
Da kommt nun Alan Turing, ein genialer
Mathematiker und Analytiker, der britischen Regierung grad recht, um sich des
Themas anzunehmen. Das tut Turing (Benedict Cumberbatch) mit Genialität
und verbissenem Eifer und führt nach vielen Irrungen und Wirrungen
–
auch privater Natur – zum Erfolg. Sein Privatleben war nicht wirklich Thema des
Films, aber es wurde en passant erwähnt, dass er wegen des gesetzlichen
Verbots homosexueller Beziehungen ein isoliertes Privatleben führte.
Das ist nun kein rasend spannender Spy-Film, aber ordentliche britische Verarbeitung
eines Kriegserlebnisaufarbeitungsdramas. Am Ende, so ganz stickum im Abspann,
wird dann noch vermerkt, dass die Queen, die Gute, Turing 2013 post mortem
begnadigt hat. Huch? Welche Gräueltat hat er sich zu Schulden kommen
lassen? Ach so, ja, er war schwul! Herrgottsakra... das hat ihn offenbar nicht
daran gehindert, genial zu sein, und die Regierung hat solang weggeschaut, bis
er „Enigma“
entschlüsselt
hatte.
Homosexualität war in England
bis 1967 strafbar. Verurteilt wurde Turing 1952, da war der Krieg vorbei und es
gab nix Essentielles mehr zu dechiffrieren. Oder es war schon Nachwuchs da.
1954 beging Turing Selbstmord. Machte sich jemand im Königreich Vorwürfe?
Und schon kommt die olle Queen um die Ecke und begnadigt ihn. Großes
Kino.
Der Film ist für „Best
Picture“
nominiert. Streicheleinheit für Homosexuelle? Über
solche Gesten sind wir doch inzwischen lang weg. Dann noch Keira Knightley „Best
Supporting Actress“ und Morten Tyldum „Best Director“.
Cumberbatch ist für den „Best
Actor“
nominiert. Nojo, optisch gab er durchaus den Nerd her, überzeugend
gespielt. Gäbe es nen Oscar in Bronze, würde ich sagen, kann er haben. Aber so?
Och nö.
The
Theory of Everything
Hier ist es also, mein erstes highlight!
Ein Bio-pic über Stephen Hawking, einen der berühmtesten Physiker
unserer Zeit. Hervorragend gespielt von Eddie Redmayne, verhältnismäßig
frisches Gesicht im Kino. Es geht um
eine gefühlvoll
aber nicht –duselige Liebesgeschichte, in die der Werdegang Hawkings und
seine Thesen ...smooth... eingeflochten werden. Mir fehlten irgendwo Übergänge.
Plötzlich
und ohne Vorwarnung war er nicht mehr mit Jane verheiratet. Aber es war dann
ein Elaine Mason da, die ihn betreute. Es wurde nicht näher thematisiert,
ob sie ihn geheiratet hat, aber da der Film auf den Memoiren von Jane Hawking
basierte, wird sie diese Phase nicht so ausführlich beleuchtet haben. Immerhin ging
es in ihrem Buch ja um ihr Leben mit Hawking, aus ihrer Sicht also alles
abgedeckt. Sehr gutes Entertainment.
Nominiert für „Best Picture“, Eddie Redmayne für
„Best
Actor“,
Felicity Jones für „Best Actress“.
Eddie Redmayne hat den Hawking prima
hingekriegt. Best Hawking impersonation ever. Dafür nen Orden am Bande, meinetwegen ein
güldner.
Aber Oscar? Ick weeß
nich. Muss ja nicht direkt jeder Film, der besser ist als standard Hollywood-Schmonzes,
mit nem Oscar gekrönt werden.
Birdman
- (oder die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)
Das isser! Mein Favorit. Für
ALLES. Oscars inklusive. 11 Nominierungen. Jawoll. Darf er haben. Andererseits
find ich es immer etwas ungerecht, wenn ein einziger Film so überschüttet
wird.
Schwarze Komödie von Alejandro
G. Iñárritu
(dessen „Biutiful“
ich schon liebte), die von Anfang bis Ende reinhaut. Er erzählt
die Geschichte des abgehalfterten Schauspielers Riggan Thompson (Michael
Keaton), der seinem vergangenen Ruhm als Comic-Held „Birdman“
nachtrauert. Allerdings hatte er eine Bindung an diese Rolle entwickelt, die
inzwischen sein Leben kontrolliert. Um seiner ermatteten Karriere wieder neuen
Schwung zu geben, beschließt er, die Kurzgeschichte von Raymond
Carver „What
we talk about when we talk about love“ ins Theater zu bringen, von seinem
Freund Jake (Zack Galifianakis) für die Bühne adaptiert. Allerdings verunfallt
kurz vor der Premiere ein wichtiger Nebendarsteller, der dann durch den
erfolgreichen Theaterschauspieler Mike Shiner (Ober-Highlight: Edward Norton)
ersetzt wird. Shiner ist allerdings keiner, der sich was sagen lässt,
er macht lieber selber Ansagen. Er zeigt Riggan halt mal eben, wo der Frosch
die Locken hat. Zu all dem Hickhack mit Shiner hat Riggan auch noch Probleme
mit seiner Tochter Sam (Emma Stone), die grad auf Entzug war, und der er einen
Job in der Produktion zugeschanzt hat. Sam wird obendrein noch von Shiner
angebaggert, und als ob das nicht genug wäre, schaut auch Riggans Ex-Frau gerne
mal überraschend
vorbei. Von der möglicherweise grad schwangeren Freundin ganz zu schweigen.
Her mit dem Hackebeilchen, Hollywood-Kino
kurz und klein zerdengelt. Her mit den echten Schauspielern, die ihren Jobs
Ehre machen. Lustvoll gespieltes Bühnentheater. Großartige
Kamera. Witzige Dialoge. Ein Hochgenuss.
Wer’s inzwischen vergessen hat: 11 (ELF)
Oscar-Nominierungen, und jede einzelne berechtigt.
„Birdman“ soll abräumen!
Gesehen habe ich auch „Boyhood“
, „Gone
Girl“
und „Selma“.
Dazu später
mehr.
„American Sniper“ ist thematisch
nicht my cup of tea, aber ich werd mal reinschauen und berichten. Vielleicht.
„The Grand Budapest Hotel“
muss ich auch noch sehen. Ob ich „Foxcatcher“ schaffe? Oder „Still
Alice“?
Time will tell. Time of which there’s so little, and films, so many.