sitzt immer mit dem Gesicht zur Tür im Restaurant. Da musst du drauf achten", sagt meine Tante Cordula, genannt Kördelchen.
Wir sitzen beim Chinesen, und Kördelchen hat den Wandplatz erobert, weil sie wie ein Geschoss durchs Lokal gezoomt war.
Das impliziert schon mal a priori, dass ich gar nicht normal sein kann, weil ich ja nicht an der Wand sitze. Auch nicht sitzen will.
Der normale Mensch also. - Und die Diskussion über - "was ist schon normal", erspar ich uns. Ich ja wohl nicht.
"Warum denn?" frage ich Kördelchen.
"Weil man dann das ganze Restaurant oder die Tür und so, also weil man immer alles im Blick hat, also jeden, der reinkommt“.
„Zu was soll das denn gut sein?" Ich bin irritiert.
„Weil man sofort jeden sieht, der reinkommt. Da kann man kucken, ob man die kennt oder so“, sagt Kördelchen.
„Aber warum denn nur?" Bin ich wirklich so blöd?
"Ich geh doch normalerweise nicht allein in ein Restaurant, und dann hab ich doch einen, den ich ankucken kann."
"Nein, nein“ Kördelchen wieder „du musst immer sehen, dass du den Platz mit dem Rücken zur Wand bekommst", sagt Kördelchen beschwörend. - - -
„Also im Film machen das die Mafiosi so, damit sie sehen, wer mit ner Knarre reinkommt. Und das hilft denen ja auch nicht. Die Knarrenträger sind doch schneller als die Mafiosi, die sich auch nur hinter umgeschmissenen Tischen verstecken. - - Und die Kugeln bohren sich immer durch das Holz. Außerdem bin ich schließlich kein Mafioso“, sage ich altklug.
„Nein, nein, damit hat das gar nichts zu tun“, sagt Kördelchen „man muss eben immer kucken, wer reinkommt. Da sind doch oft mal interessante Leute dabei. Da kuckt man, was die anhaben, wie die geschminkt sind, wer heimlich mit wem essen geht, wer mit wem 'n Werk hat... so Sachen eben..."
"Das interessiert mich ja nun nicht die Bohne“ ich bin gelangweilt, „wenn ich mit jemandem essen gehe, dann doch nur, weil ich mich mit dem oder der über ‘nem Süppchen oder Zeuch unterhalten will. Ich geh doch nicht ins Restaurant essen, weil’s zu Hause nix gibt. Also jetzt zum Beispiel, ich wollte mich eigentlich mit dir unterhalten“, sage ich etwas vorwurfsvoll.
„Tun wir doch“, sagt sie irritiert.
Seit wir da sitzen, würdigt sie mich keines Blickes. Ich müsste mal ein wirklich interessantes Thema anschneiden. Über den normalen Menschen, zum Beispiel.
"Siehst du, jetzt gerade, “ sie hievt ihren Wallebusen quer über den Tisch, kommt auf Nasenspitzennähe, damit es auch niemand außer mir hört und wispert verschwörerisch: "da kommt der Doktor Brandes mit einer Frau, und das ist nicht seine."
„ Ich kenn keinen Dr. Brandes“, sage ich laut, denn ich bin schon leicht angepisst. "Will ihn auch nicht kennen lernen..."
"Pssst, nicht so laut, der kann dich ja hören. Dann weiß er, dass ich ihn gesehen habe..." zischelt Kördelchen
"Wenn du den gesehen hast, hat er dich wahrscheinlich auch gesehen“, mein letzter Versuch mit Logik,
"dann weiß er, dass du weißt, mit wem er rummacht."
"Ohgottogottt... sag das nicht“, sie hält sich schnell das Menü vors Gesicht. "Hoffentlich hatter mich nicht gesehen!"
Der normale Mensch eben.
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