Dienstag, 23. Februar 2010

Blue Men reloaded - Avatar

Dieser Jesus damals, bei der Hochzeit von Kana, der hat doch den guten Wein erst verteilt, als die Plörre alle war, da hat der quasi das Badewasser in erstklassigen Wein verwandelt. Aber eigentlich geht’s doch immer so, dass erst der Spitzenwein ausgeteilt wird, und wenn alle besoffen sind, der Fusel, oder?
So versuch ich das jetzt mal: erst sag ich was ganz Tolles über den Film „Avatar“, und später dann hol ich quasi den billigen Fusel raus. Ihr werdet es gar nicht merken, mein Wort drauf.
Also hier jetzt erst mal das Tolle: es sind ohrenbetäubend phantastische Bilder, die da über mich herfallen. Bestürzend blaue Töne, lichttriefende Weidenbäume, fedrige Samenquallen und knorzig-gigantische Baumgebilde verteilt über steile Felsen und hohe Berge. Planeten hängen vom Himmel, vor dessen seidigem Blau die exotischsten schmetterlingsähnlichen Greifvögel, so groß wie Doppeldeckerbusse, durch die Luft schießen. Freundlich sind die den Bewohnern dieses Lebensraums nicht gesonnen, aber wenn man sie zähmen kann, gehorchen sie.
Das Kind in mir, das niemals stirbt, mochte diese rasanten Hochgeschwindigkeitssturzflüge, MACH2 der Paradiesvögel, eng an den steilen Klippen vorbei, und die Kehrtwendungen in Nanosekunden up up and away. Und alles so schön bunt.
Das 3D-Format, nicht so neu, wie es gepriesen wird, verschafft schöne, teilweise verstörende Eindrücke. Wenn so eine güldene Samenqualle mir scheinbar ins Gesicht taumelt, fährt meine Hand automatisch hoch und will sie wegscheuchen. Wenn die Metalltür eines Kriegsbüropanzers mir beinah die Nase zu Brei malmt, schrecke ich zurück.
Das alles begleitet von ohrenzermürbender Geräuschmanufaktur, die vorgibt, Musik zu sein. Wer nicht spätstens jetzt sein Ohropax ins Ohr stopft, ist selbst schuld, wenn morgen einige tausend Haarzellen verreckt sind. Ich glaubte ja, Disko-Beschallung verursacht schlimmste Hörschäden, aber da hatte ich diesem Film noch nicht beigewohnt.
Dachtet ihr, das war schon der Teil mit dem Fusel? Falsch. Der kommt noch. Also erst mal: ich mag keine Fantasy-ScienceFiction-Filme. Ach so, meint ihr, deswegen wird der jetzt verrissen? Dann geh doch nicht rein in solche Filme, dumme Nuß. Aber dann wäre mir schon was entgangen, und ich hätt ja auch nix drüber schreiben können. Ach nee, und so direkt verreißen möchte ich das auch nicht nennen. Ich bin eben unentschlossen.
Aber ich frag jetzt mal, warum mussten all die Avatare der Nation Na’vie Schwänze haben? Also, so löwenschweifähnliche? Hat es der Geschichte gedient? Nein. Der Beweglichkeit, der Optik, dem Bewegungsablauf? Nein, nein, nein. Da hat der Herr Cameron einfach gedacht, mach ich denen mal Schwänze an den Arsch, das hat auf jeden Fall was Animalisches, und das ist ja hier auch Sci-fi, da kann alles. Die Pinscherohren z.B, waren doch praktisch, denn wie die da so in dem Urwald rumsprangen und flogen, da war’s schon ganz sinnvoll, solche Antennenohren zu haben. Denn mit den Augen allein konnten die ihre Umwelt gar nicht erfassen. Und – come to think of it – muß ja auch nicht alles Sinn ergeben. Science fiction, hallo? Da muß es ja Dinge geben, die es gar nicht gibt, und vor allem, die sinnlos erscheinen. So gesehen. Ach, und da fällt mir ein, die endlos langen Schwänze hatten ja doch eine Funktion: die puscheligen Endquasten konnten mit Baumwurzeln verbunden, verschmolzen, vereint werden, und so entstand ein Informationsfluss. Allerdings hätte das mit den Haarpuscheln an den langen Zöpfen genauso glaubhaft und effektiv erreicht werden können. Aber Schwänze, na ja, Schwänze gehn ja immer. Ich rate mal: vielleicht sollte so vermittelt werden, dass die Evolution noch schwerst im Gange war, und der Weg zur Menschwerdung halt über Schwänze führt. Aber englisch können die schon, immerhin. Warum auch nicht.
Putzig jedenfalls sahen sie aus mit ihrer blau-in-blau wellig gestreiften Zebrahaut, den blauen Gesichtern einer gedampfwalzten Blue Men-Group, den langezogenen, muskelbepackten gephotoshoppten Figuren, die notdürftig aber ausreichend bedeckt waren.
In der Geschichte ging es um das Übliche. Den bösen und selbstverständlich starken und gierigen Feind, der eine machtvolle Über-Kriegsmaschinerie besitzt und danach lechzt, sie einzusetzen. Denn, und auch das ist das Übliche, er will etwas haben, was er dringend braucht, und die, die es haben, die Guten, leben als friedliche Waldkreaturen in ihrem Märchenwald und haben kein Interesse dran, es herzugeben. Die einen sind rabiate (amerikanische!) Krieger, die anderen naturverbundene Na’vis. Die ersten Settler gegen die Indianer, die Brutalos gegen die liedersingenden, im Tanz sich wiegenden und anspruchslosen Wesen aus der Anderswelt. Goliath gegen David.
Die gierigen Bösen spionieren erst mal die guten Na'vis aus, indem sie eigene Leute vermittels einer parallelen Zeitmaschine metamorphosieren und sie in der Gestalt von Na'vis als Avatare unters Naturvolk entsenden, um sie auszuspionieren. Der so gemorphte Held Jake verliebt sich dann in die Prinzessin der Na'vis, Neytiri, und fortan ist er geläutert und kämpft für sein neues Volk. Die sind leider not amused, weil sie rausfinden, dass Jake zu den Bösen gehört. Was schnell passiert wegen des kleinen Unterschieds: ich sag nur fünf Finger gegen vier Finger. Und Zehen natürlich auch. Aber wie das so ist in Märchen, kämpfen Jake und sein ärgster Widersacher den nötigen Kampf. Und weil im Grunde ihrer Herzen ja beide Gute sind... ach nee, ich will jetzt nicht den ganzen Film erzählen.
Dazu wahrlich bombastische Bilder der imaginären Natur des Mondes Pandora. Sie erinnern ebenso an Gemälde von chinesischen Gebirgszügen, wie auch ein bißchen an die weihnachtliche Beleuchtung von amerikanischen Shopping Malls. James Horner schrieb die Musik - leider nicht nur extrem laut, sondern auch manchmal an afrikanische Stammesgesänge oder andere ethnische Klänge erinnernd - ist omnipräsent und streckenweise schwer zu ertragen. Die Landschaft allerdings ist ein wildes, farbenfrohes, ständig wechselndes Märchenpanorama, in dem ebenso wilde wie farbenfrohe und märchenhafte Dschungelviecher rumtoben, aber letztendlich haben selbst die ein Herz aus Gold und sind den Na’vies Retter in der Not.
Da ich nun eben kein Fan von Fantasy und Sci-fi-Filmen bin, weiß ich auch nicht so recht, wem ich den empfehlen soll außer vielleicht den Fans von solchen. Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer, weil es für die ja wohl auch Unterschiede gibt, die ich gar nicht kenne. Bei meinem 15-jährigen Neffen habe ich Video Games auf dem Bildschirm verfolgt, die ähnlich schnell, bunt und unterhaltend waren. Das ist also wahrscheinlich die Zielgruppe, und die Technik-freaks, die SFX-junkies, die Spieler.
Ja, da bin ich mal so richtig aus mir raus gegangen, mit dieser Besprechung. Überbordend wort- und besonders adjektivreich geschmückt, hab ich versucht, an den Bombast des Films heranzukommen. Und noch ein Grund, warum es kein reiner Genuss war, diesen Film - immerhin 160 Minuten lang - zu sehen, war der, dass ich in der dritten - Reihe saß, und dass ich immer noch unter Genickstarre leide
Von den Schauspielern kenne ich eigentlich nur Sigourney Weaver, der ausnahmsweise mal keine häßlichen Aliens aus dem Leib flutschen. Bewusst hab ich die anderen noch nie gesehen. Zoe Zaldana, die die Neytiri spielt, die weibliche Hauptrolle, erinnert allerdings stark an Lara Croft. Aber das ist sicher der reine Zufall.

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