Freitag, 29. Januar 2010

Würdig für Zweitausend

Lesung im Kulturbunker Köln-Mülheim am 12. Dezember 2009

Auf dem Weg durch meinen Vorort komme ich immer bei diesem Bestatter vorbei. Der hat in seinem Schaufenster einen Sarg, Urnen, Kandelaber, Bilder von Grabstätten, Gruften, Familiengräbern und so Zeug. Das Übliche. Was willer auch ausstellen? Leichen geht schlecht. Obwohl, son plastinierter Body von dem Gunther von Hagens, das wär doch auch mal ne prima Geschäftsidee. Neu! Innovativ! Na egal.

Dieser hier ist seit 300 Jahren in der Familie, also der Bestattungsbetrieb. Traditionelle Bedenkenträger. Jedenfalls hatte der außer der üblichen Bestatter-Hardware zwei schöne Fotos von Friedwäldern ausgestellt. Und eins von einem Dampfer, was vermuten ließ, dass er auch Seebestattungen vermittelt.

Oder lieber Kapitän geworden wär.

Nun isses ja nicht so, dass ich schon sooo alt und soo gebrechlich wäre, dass ich seine Dienste kurzfristig in Anspruch nehmen müsste, und ich fühl mich auch prima, aber man weiß doch nie. Könnte mir doch morgen ein Zweispänner über den Leib donnern, und wo bleib ich dann?

So könnte nicht mal der Herr von Hagens was mit mir anfangen. Da kommt dann irgendeiner und kratzt die Reste zusammen und weiß nicht wohin damit. Und unappetitlich ist es auch. Obwohl mir das ja nun am egalsten von allem sein könnte.

Also rein in den Laden, der diskret stil- und geschmacksneutral in heller Plaste & Elaste gehalten ist. Ein stattlich-rustikaler Herr in den besten Jahren (wo immer die liegen), dichtes weißes Lockenhaar, gebräunte Haut, sehr lebendig, begrüßt mich mit angemessen getragener Stimme.
Ich komme dann aber gleich zum Thema und erkläre ihm, dass – wenn es dann dereinst… es mein Wunsch und Wille sei, möglichst kostengünstig und entsorgungsneutral... na, pfffff …entsorgt zu werden.

Da will er mal wissen, ob ich das denn mit meiner Familie besprochen habe, und ob die einverstanden sei. Ja wo simmer denn? Dem muss ich erst mal klar machen, wer der Bestimmer über meine sterblichen Überreste und deren Verbleib ist. Ob er damit zufrieden war, weiß ich nicht, jedenfalls fragt er nicht weiter.

Er zeigt mir jetzt aber mit einigem Enthusiasmus Flyer mit langen Listen über viele, viele Leistungen in einer Bandbreite von €7.200 - €17.700.
Huch, preiswert ist das aber nicht. Für das bisschen Leiche.

Er: ja, aber wenn es würdig sein soll, dann müssen Sie das schon anlegen.

Anlegen klingt … zukunftsorientiert, so mit Aussicht auf Gewinn. Das ist bei meinem Ableben eher unwahrscheinlich.

Nein, ich interessiere mich ausschließlich für eine Entsorgung im Friedwald. Das Wort Entsorgung in dem Zusammenhang gefällt ihm immer noch nicht, und er runzelt die Stirn. Aber ich insistiere. Dann erzählt er mir, dass es sogar hier im Vorort die Möglichkeit der Friedwaldbestattung gebe. Nicht, dass ich das unbedingt anstrebe. Und in Köln auch.
Aber er arbeitet am liebsten mit dem Friedwald in Braubach-Dachsenhausen zusammen, wo es auch ein flammneues, nee, brandneues, auch nicht gut, also ein niegel-nagel-neues Flammarium gebe. Flammarium, das neue Krematorium? Steht Krematorium auf
der Liste der politically incorrect Wörter?

Egal. Die Gebühr fürs... flambieren? ...beträgt mal nur €300. Das sind doch humane Preise, denk ich so. Aber dann kommen noch €680 dazu, sagt er, für die Ablage der Asche unter einem Gemeinschaftsbaum. Einem WG-Baum, sozusagen.

Mit Namensplakette und unter einem single Wunschbaum abgelegt zu werden, kostet extra - hab inzwischen vergessen wieviel - jetzt auch in Braubach-Dachsenhausen. Oder, wahlweise im örtlichen Wald, direkt unterm Wunschbaum nur €500, da kommen dann allerdings noch €264 für das Flambieren und die Bestätigung des Amtsarztes dazu. Was soll der denn amtlich bestätigen? Dass die Asche keimfrei ist? Meine ist? zur Entsorgung freigegeben? Um in Köln eingeäschert zu werden - sechs km bis zum Zentrum - kommen noch mal Transportkosten von €200 dazu. Für 300gr Asche im recyclebaren Behältnis, versteht sich.

Nach einer Seebestattung hab ich dann schon gar nicht mehr gefragt. Vermutlich gibt’s da auch ein Preisgefälle wie zwischen Paddelboot und QEII.
Na, denk ich so, aber ist ja noch erschwinglich. Und würdig genug wird’s schon sein.
Und da sagt der Herr Kreuz von der Firma Schnitter (Nomen est Omen): und unsere Bestatterkosten kommen natürlich noch dazu, das wären zusätzlich €1200.

Aha, ich rechne blitzschnell, alles in allem also doch rund €2000.

Aber dann auch sehr würdig, sagt Herr Kreuz.

Ich überlege, ob ich auf die Würde verzichte und meine Asche testamentarisch dem Streudienst zur Verfügung stelle. Aber es schneit so selten in Köln.

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