Mittwoch, 23. Oktober 2013

"Prisoners"

Kaum hab ich mich von der nervenaufreibenden Spannung bis zum „Breaking Bad“-Finale erholt, sitze ich völlig unvorbereitet in einem Film, der mindestens ebenso spannend ist. Und zwar bis zum letzten Bild in der 145. Minute (der Rest sind die credits). Es fängt ganz fröhlich an: das Ehepaar Dover kommt mit seinen Kindern zum benachbarten Ehepaar Birch (Zoe Borde und Terrence Howard) um Thanksgiving zu feiern. Die Töchter der beiden Paare tollen zusammen in der ruhigen Anwohnerstraße herum, wo nur ein verschimmelter Wohnwagen nicht so recht ins Bild passt. Und irgendwann merken die Eltern, dass die Kinder nicht mehr draußen spielen. Nach erfolgloser Suche im Haus und der Umgebung wird die Polizei eingeschaltet. Detective Loki (Jake Gyllenhaal) übernimmt. Der findet auch schnell einen Verdächtigen, Alex Jones, den Besitzer des Wohnwagens. Allerdings gibt es keinerlei Beweise dafür, dass er der Täter ist. Außerdem stellt sich bald heraus, dass Alex geistig behindert ist, und er wird in die Obhut seiner Tante Holly entlassen. Keller Dover (Hugh Jackman) ist nicht nur damit nicht einverstanden, er ist weiterhin der festen Überzeugung, dass Alex der Täter ist. Er nimmt die „Ermittlungen“ selbst in die Hand, indem er den jungen Alex entführt, um eigenhändig dafür zu sorgen, dass er gesteht. Zimperlich ist er dabei wahrlich nicht. Und er „überredet“ den Nachbarn Birch, ihm dabei zur Hand zu gehen. Ab hier etwa halte ich den Atem an – bis zum Ende, und nicht nur ich. Inzwischen hat aber Loki einen gewissen Bob Taylor aufgetan, der als Täter in Frage kommt. Alles passt, und es gibt Indizien ohne Ende. Lots of Grusel. Und ich grusele mich nicht mehr so leicht! Auch Keller Dover scheint nun überzeugt. Bis dieser praktische Verdächtige Taylor Selbstmord begeht. Aber warum nicht, denk ich, er hat ja so einiges auf dem Kerbholz. Es tauchen doch wieder Fragen auf, und der ursprüngliche Verdacht wird wiederbelebt, als man in Taylors Haus äußerst merkwürdige und auch belastende Dinge findet. Sehr belastend und sehr, sehr gruselig. Dover arbeitet sich nach dem Wegfall des Verdächtigen Bob Taylor weiter an Alex ab. Er hat sich in den Kopf gesetzt, dass er den wahren Täter gefangen hält. Plötzlich wird Birchs kleine Tochter irgendwo im Freien gefunden, randvoll mit Drogen. Sie ist in erbarmungswürdigem Zustand. Ob sie überleben wird, ist fraglich. Sie ist also für die weiteren Ermittlungen nicht die erhoffte Hilfe. Ab jetzt verknoten sich nicht nur meine Hirnwindungen, auch meine Finger und Zehen. Ich japse dem Ende entgegen, überzeugt, dass ich vorher noch einem Herzinfarkt erliegen werde. Nun, wie man sieht, hab ich alles heil überstanden, aber ich saß noch minutenlang wie angenagelt in meinem Sessel bis mein Puls wieder auf Normalfrequenz rauschte. Es kann kein wirkliches happy end geben. Darf es auch nicht. Selbst wenn alle überlebten, für keinen der Beteiligten wird es ein „happily ever after“ geben. „Prisoners“ ist eine wunderbar aufregende, dramatisch aufgebaute Story und hat überzeugende Schauspieler (neben Jackman, Gyllenhaal auch Maria Bello, Terrence Howard und Melissa Leo). Der Regisseur, Denis Villeneuve, ein Kanadier, hatte eine besonders glückliche Hand, den Spannungsbogen bis zuletzt straff zu halten. Es ist auch ein bedrückender Film. Wie weit würde ich gehen, um mein Kind zu retten? Wäre ich fähig, die gleichen oder ähnliche Mittel anwenden wie Dover? Hätte ich irgendwann ein Unrechtsgefühl? Hier denke ich wieder an Walt in „Breaking Bad“, er tut das, was er tut, für seine Familie. Wir sehen ihm zu, wie ein eigentlich Guter zum Bösen mutiert. Und es dauert 63 oft unerträglich packende Folgen, diese Wandlung Schritt für Schritt mitzuerleben. Und trotzdem immer noch einen Funken Mitleid, Verständnis oder vielleicht sogar Solidarität für Walt zu haben. Jackmans Dover zeigt Parallelen. Der eigentlich Gute verstrickt sich in immer mehr Unrecht. Die Gespenster seiner Vergangenheit holen ihn ein. Da ist eine Oscar-Nominierung für „Best Movie“ drin. Gyllenhaal und Jackman dürften auch auf einer Liste stehen. Könnte ich mir vorstellen. 5 von 5 Punkten

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