Montag, 19. April 2010

Nur Narren begrüßen den neuen Tag mit einem Lächeln. "A Single Man"

George (Colin Firth) ist kein Narr. George ist ein Lehrer. Ein korrekt gekleideter, unauffällig eleganter Herr in diesen dubiosen „besten Jahren“. In seiner Wohnung, an seinem Arbeitsplatz und an ihm selbst herrscht penible Ordnung. George ist weder außerordenlich schön noch besonders hässlich, Gesicht und Frisur sind eben auch korrekt. Das ist das Äußerliche.
Innerlich ist George zerrissen. Er leidet seit nun schon acht Monaten unter dem Verlust seines Lebenspartners Jim (Matthew Goode), der durch einen Autounfall ums Leben kam. Sechzehn Jahre waren sie zusammen. Der Freigeist Jim und der Ruhepol George. Ein schönes, ein harmonisches Paar, wie in den vielen flash-backs gezeigt wird. Überhaupt gibt es sehr, sehr viele flash-backs, was ich ja generell nicht so mag, aber hier passt es schon, denn wie sonst sollte sein derzeitiger Zustand begründet werden? Am drögsten ist ja immer, wenn Protagonisten in langen Dialogen oder, noch schlimmer, Monologen, ihre Vergangenheit ausleuchten.
George leidet also. Er nimmt seine Kollegen nur noch oberflächlich wahr, seine lethargischen Schüler öden ihn an, und die diskreten Annäherungsversuche des Studenten Kenny (Nicholas Hoult) registriert er mit einem müden, geduldigen Lächeln. Er hat keine Freude mehr am Leben, war er doch schon vorher nicht der strahlende Optimist, jetzt hat er erst recht alles satt. „Jim war immer fröhlich beim Aufwachen“, moniert er nachsichtig: „Only fools greet the morning with a smile“.
Seine gute Freundin, Charlotte „Charley“ (Julianne Moore), eine überkandidelte Trinkerin, etwa in seinem Alter, schmeißt sich noch mal ran, um eine seit ewigen Zeiten abgehakte kurze Affaire mit ihm wiederzubeleben. Aber der Ofen ist schon lange aus. Colder than a witches tit. Sie bleibt die Freundin, an deren Schulter er sich in den ersten Stunden des Schocks weinen darf.
Diese Szene, in der George vom Tod seines Geliebten telefonisch informiert wird, setzt den Ton, die Stimmung, für den weiteren Verlauf. Mit der berühmten britischen „stiff upper lip“ hört er die Nachricht, die ihm durchaus feinfühlig übermittelt wird, und bewahrt absolute Contenance. Er fragt die richtigen Fragen, gibt die korrekten Antworten, und erst bei Freundin Charley bricht er zusammen als er ihr weinend in die Arme fällt. Das ist aber auch das einzige äußere Zeichen seiner privaten Hölle. So gefasst, wie er sich darstellt, so überlegt und überlegen, überrascht es mich, dass er diese acht Monate überhaupt überstanden hat.
Aber acht Monate sind genug des Leidens, ohne Jimmy, ohne Freude, ohne einen Grund, für den es sich weiterzuleben lohnte. Er beschließt also, sein Leben zu beenden. Und da er ein ordentlicher Mann ist, plant er das minutiös. Er bringt sein Leben in Ordnung, sortiert Dokumente, die nach seinem Tod benötigt werden, Versicherungspolicen, Abschiedsbriefe, Anzug und Anweisungen für seine Bestattung, ein paar Scheine für die Haushälterin, versteckt im Brotbeutel, den sie gerne im Tiefkühlfach aufhebt.
Dann probt er die Ausführung, a dry run mit Revolver. Das sind komische Szenen, absichtlich von hell-schwarzem Humor angehaucht, und es darf auch etwas erleichtert gelacht werden.
Colin Firth gefällt mir außerordentlich in dieser Rolle. Colin Firth gefällt mir meistens. Tom Ford als Regisseur kann ich nicht einschätzen, es ist sein erster Film. Hier und da bricht die Ästhetik eines Mode-Designers in den farb- und bewegungsschönen Bildern durch. Ich hätte gut auf einigen geschmäcklerischen Schnick-Schnack verzichten können, die mehrfach wiederkehrenden Unterwasserszenen zum Beispiel. Stellenweise ist mir die Szenerie zu glatt, Madison Avenue-mäßig auf hochglanz poliert. Schwarz-weiß und Sepia suggerieren Stimmungen, die Firth gut mimisch und gestisch selbst ausdrückt. Aber es gibt auch geistreiche Dialoge, Situationskomik, schön möbilierte Häuser und edel gekleidete Menschen. kein Film, den man unbedingt gesehen haben muss, aber schaden tuts auch nicht. Schon wegen Colin Firth nicht.
Die Romanvorlage ist von Christopher Isherwood von 1964, die Zeit, in der auch der Film spielt. Eine Zeit, in der es noch klumpige Telefone mit Spiralkabel und Wählscheiben gibt.

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