Samstag, 12. März 2011

Biutiful

Beautiful ist die Geschichte dieses Films nicht. Nicht „wundervoll“, sondern traurig, bedrückend, beklemmend. Und doch von ungeheuer wuchtiger Zärtlichkeit, Angst und Mut. Todesmut. Todesangst.
Uxbal (Javier Bardem) ist ein Kleinkrimineller. Mit einigen illegalen Geschäften, die von ebenso illegalen Einwanderern unter den Augen von geschmierten Polizisten auf offener Straße stattfinden, hält er sich über Wasser. Uxbal versorgt seine beiden Kinder Ana (Hanaa Buchaib) und Mateo Guillermo Estrella) allein. Seine geschiedene Ehefrau Marambra (Maricel Álvarez) leidet an einer bipolaren Persönlichkeitsstörung, nimmt ihre Medikamente nicht, und führt ein wildes Leben. Sie hat das Sorgerecht verloren. Uxbal ist ein liebevoller Vater, der versucht, den beiden Kindern ein anständiges Leben zu bereiten. Aus heiterem Himmel sagt ihm sein Arzt, dass er Krebs im Endstadium hat. Er pinkelt blutigen Urin, er hat Schmerzen, er ist verzweifelt. Er ist kriminell, und er ist nicht wirklich ein guter Mensch, aber eben auch kein wirklich schlechter. Er hat Mitgefühl, aber er will auch seinen Anteil aus den kriminellen Geschäften. Von irgendwas müssen er und seine Familie ja schließlich leben. Er hilft der Gruppe illegaler Chinesen, die von zwei chinesischen Ausbeutern wie Tiere in feuchtkalten Kellern gehalten werden. Seine Hilfe entpuppt sich als Boomerang.
Bardems Gesicht ist die fleischgewordene Sorge, Leid, Schmerz. Es gibt plötzliche Szenenwechsel, die reinhauen wie eine explodierende Bombe. Handkamera mit verrissenen Einstellungen. Laute Musik. Polizeisirenen. Statt Verfolgungsjagden mit Autos, rasen Polizei, Bösewichte und Uxbal zu Fuß durch Barcelona.
„Bring deine Angelegenheiten in Ordnung“ rät ihm eine Heilerin. Das ist ein guter Rat, denn wenn man weiß, dass man bald sterben muss, kann man die unerledigten Angelegenheiten nicht mehr guten Gewissens vor sich her schieben. Also, man könnte, aber Uxbal ist nicht gewissenlos, bloß weil er ein Krimineller ist. Er liebt seine Kinder über alles und will sie versorgt wissen, wen er nicht mehr da ist. Er versucht sogar, seine unzuverlässige, kranke Frau wieder als treusorgende Mutter zu aktivieren. Das funktioniert nicht. Sie ist unreaktivierbar.
Auch die Szenerie vermittelt Sorge, Leid und Schmerz. Hier wird nicht das Barcelona der Touristen oder Mittelstandsbevölkerung gezeigt. Uxbals Leben spielt sich in den schmuddeligen Seitenstraßen von Vororten ab. Auch die Silhouette der Sagrada Familia Basilika ist in grauen Dunst gehüllt, umgeben von hässlichen Baukränen. Die untergehende Sonne über dem Mittelmeer gleicht einem glühenden Atompilz. Alles vermittelt Trostlosigkeit, erinnert an Uxbals baldigenTod.
Vielleicht ist Uxbal ein kleines bisschen zu gut, die Umstände ein kleines bisschen zu desaströs, aber bitte, so ist das Leben. Bardem ist ein wundervoller Schauspieler, und seine hierzulande weitestgehend unbekannten Mitspieler sind ausgezeichnet besetzt.
Der Titel, falls sich jemand wundert, ergibt sich aus einem Rechtschreibfehler in den Hausaufgaben von Ana, unter Mithilfe des Vaters.
Schon allein wegen Bardem lohnt es sich, den Film zu sehen. Aber nicht nur deshalb. Ob nun überzogen oder nicht, die Geschichte von Uxbal geht ans Herz, und zwar mit geballter Wucht.

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