Mittwoch, 1. Dezember 2010

Geschwätzigkeit ist aller Kriege Anfang

„Fair game“ heißt der Film, denn ich heut Nachmittag im Metropolis Köln in der Originalfassung gesehen habe. Fair game heißt Freiwild, und bevor Valerie Plame Wilson (Naomi Watts) und Joe Wilson (Sean Penn) wirklich dazu werden, vergeht mehr als eine Stunde.
Aber gut, so ein Plot muss sich aufbauen. Das braucht halt seine Zeit.
Val Plame, Ehefrau des früheren amerikanischen Botschafters in Niger, Joe Wilson, ist eine Undercover-Agentin der CIA. Sie hat ein properes Informanten-Netzwerk in Bagdad und gibt die Resultate ihrer Auskundschaftungen auftragsgemäß ins Hauptquartier weiter. Soweit läuft alles smooth. Zuhause hat sie zwei kleine Kinder, das Eheleben läuft ebenfalls smooth, bis auf die Tatsache, dass beide Eheleute überarbeitet sind und sich zu wenig sehen. Wie so was halt so ist.
Im Fernsehen tönt Baby Bush rum, dass Saddam Hussein dabei ist, Atombomben zu basteln, man habe Beweise und nieder mit dem Bastard, der unschuldige Amerikaner umbringen will. Man schickt also Joe Wilson nach Niger, um auszukundschaften, ob es stimmt, dass Saddam dort 500 Tonnen von dem dafür benötigten Uran eingekauft haben kann. Wilson mag das nicht glauben, er kennt das Land aus seiner Botschafterzeit, fliegt hin und stellt eindeutig fest: Kein Stück! Schon rein logistisch unmöglich: Abbau und Transport – no way. Also zurück marsch-marsch, Bericht erstatten: nix is, kein Uran für Saddam. Aber der Bericht wird unter den Tisch manipuliert, und wenn Bush jr. sich mal was in den Kopf gesetzt hatte, kriegte man das auch mit vernünftigen Argumenten nicht mehr raus. Also, wird Bagdad gebombt.
Inzwischen arbeitet Valerie daran, einige ihrer irakischen Informanten und Verwandte einer befreundeten irakischen Ärztin aus Bagdad rauszuholen. Das Resultat ist bekannt, es klappt nicht, der Plan wird verraten und viele, viele Iraker, die vor Saddam fliehen wollen, sterben. Irgendjemand hat durchsickern lassen, dass sie eine Undercover-Agentin der CIA ist, und was noch schlimmer ist, es wird der Presse zugesteckt. In der ganzen Welt kann man es lesen. Ihre Deckung ist aufgeflogen. Dazu kommt noch der Vorwurf, sie hätte dahinter gesteckt, ihren Mann nach Niger zu schicken. Ab sofort sind sie „fair game“, Freiwild. Der Spießroutenlauf beginnt.
Nun beruhen diese Vorgänge ja auf Tatsachen. Valerie Plame gibt es wirklich, und sie und ihr Mann Joe Wilson sind ein Teil dieses traurigen Abschnitts der amerikanischen Historie. Daran erinnert mich nun der Film immer wieder, indem unentwegt TV-O-Töne eingespielt werden. Ganz kurz nur, vielleicht 30 Sekunden, und schwupps, zurück zur Filmstory. Auch die wird mir mit gefühlten 500 Vidclips mit Unterhaltungsfetzen, Kriegsbildern, Bombenprasseln um die Ohren gehauen. Eine Art cinematographisches Daumenkino (die oft schlunzigen und fahrigen Einstellungen sind vermutlich beabsichtigt, um eine Authentizität der Berichterstattung herzustellen). Dass mich das störte, mag auch daran liegen, dass ich mit all den blitzartig eingeblendeten Herren Regierenden und Intrigierenden namentlich nicht so vertraut bin, und vor allem auch von den Mechanismen der politischen Puzzlelei keinen Dunst hab, also der amerikanischen. Bin ja schließlich schon mit den deutschen Kasperles überfordert.
Alles in Allem ist das kein Film, den ich guten Gewissens empfehlen möchte, und ich vermute auch mal, dass er hier im Lande nicht so der Renner wird. Es sei denn, es finden sich noch mehr solche wie ich, die trotz mancher Bedenken einfach Naomi Watts und Sean Penn gerne bei der Arbeit zusehen. Und die verrichten sie wirklich famos. Watts spielt die Agentin schnörkellos, effizient und glaubhaft. Penn packt mehr Rage in seine Rolle als aufgebrachter Botschafter, der zusehen muss, wie ein unfähiger Präsident einen Krieg anzettelt und sorglose Bürokraten seine Karriere und die seiner Frau ruinieren. Und dass diese Situation der Ehe nicht gut tut, liegt auch auf der Hand.
Nun ist der Ausbruch des Irak-Kriegs gute acht Jahre her. Die Aufdeckung dieser Intrige ist auch nicht neu. Gut, sage ich, dass alles ans Tageslicht kam. Das meiste davon ist tatsächlich so geschehen, einiges ist Fiktion. Unterm Strich kann mir das ja egal sein. Aktuell erinnert mich das an den Hype, der grad durch Wikileaks ins Rollen gebracht wurde. Da nicken wir alle weise mit unseren Häuptern und hatten es doch schon immer gewusst, dass alle Politiker verlogen, verblödet und korrupt sind, und dass auch in diesen Kreisen geklatscht und getratscht und gelästert wird wie in den guten alten Kaffeekränzchen.
Nichts anderes als das lose Mundwerk eines Regierungsbeamten hat letztendlich diese Tragödie erst möglich gemacht. Und sicher viele andere davor und danach.
Wär vielleicht gar nicht so schlecht, den Slogan des 2. Weltkriegs wieder auszugraben:
„Loose lips sink ships.“
PS: Drei bis vier goldene Sterne für Watts und Penn.

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